In der letzten Rezension habe ich die Frage, welche Bücher Lebenslesezeit beanspruchen dürfen, mit einem Kafka-Zitat beantwortet: man solle nur Bücher lesen, die beißen und stechen, einen mit einem Schlag auf den Kopf aufwecken. Nach der Veröffentlichung bekam ich von einer Leserin Rückmeldung: Bücher müssten keineswegs nur beißen und stechen, um lesenswert zu sein. Sie seien auch Balsam/ Trost für eine geschundene Seele! wurde mir energisch beschieden.

Eine meiner Katzen ist an Krebs erkrankt. Inoperabel, wir können ihr also nur das Leben leichter machen. Ich liebe sie sehr und habe in den Jahren, die sie bei mir ist, viel von ihr gelernt. Sie ist eine zierliche, unerschrockene Boss-Kätzin mit einer Schwäche für mich. Oft hat sie einem Nachbarn Schnappatmung bereitet, wenn sie vor seinen Augen im morgendlichen Berufsverkehr die Straße überquerte. Sie hat Kinder auf dem Schulweg begleitet und erwog eines Morgens, mit in die Schule zu kommen. Auf der Jagd nach Schinken und Thunfisch drang sie in eine Pizzeria ein und huschte hurtig in den Keller, als der Pizzaiolo unversehens zurück in die Küche kam. Drei Tage harrte sie dort unten aus, bevor sie einen Mucks von sich gab und sich entdecken ließ. Drei sehr schlimme Tage!
Nun wird dieses kühne kleine Wesen von sich selbst dahingerafft. Zellen ihres Körpers beginnen zu wuchern. Ich denke über die Zeit nach, die uns bleibt, gebe ihr Liebe und jederzeit Futter, lasse die Jahre mit ihr Revue passieren, und erinnere mich auf der Suche nach Trost an ein Buch: Mark Rowlands‘ „Der Philosoph und der Wolf“, erstmals erschienen bei Rogner & Bernhard in 2009.
„Der Philosoph und der Wolf“ gehört zu der Gruppe Bücher, die ich seit Erscheinen wieder und wieder lese. Rowlands ist walisischer Philosophieprofessor, tätig in den USA und hat ein Jahrzehnt seines Lebens mit dem Wolf Brenin, später auch mit dessen Tochter und einer weiteren Hündin geteilt. Anhand scheinbar anekdotischer Schilderungen aus dem gemeinsamen Leben und Reisen mit seinem Wolf handelt Rowlands philosophische Grundideen ab und geht so auch der menschlichen Natur auf den Grund. Dieses Mal ist es der Tod, der mich zu diesem Buch greifen lässt. Und Rowlands Überlegungen dazu sind in der Tat wegweisend und bestätigen, dass besagte Rückmeldung auf das Kafka-Zitat stimmt: Bücher sind auch Trost für geschundene Seelen. Dieses hier ist eins davon, warmherzig, witzig und klug geschrieben. Nicht frei von Eitelkeit seitens des Autors – aber angesichts der zahlreichen Einsichten, die es bietet, ist das mehr als verzeihlich.
Die Rogner & Bernhard-Ausgabe ist längst vergriffen, aber es ist noch in zwei anderen Ausgaben lieferbar: Eine ist – identisch mit der Originalausgabe – 2010 bei Piper erschienen, die andere ist leicht erweitert und mit Illustrationen ergänzt, erschienen bei Malik National Geographic in 2012. Letztere kann ich besonders empfehlen.
— Dies ist der letzte Beitrag, die letzte Rezension im Karfiol. Eine Weile wird er hier noch zu finden sein und es gibt noch ein paar Hefte. Vielen Dank allen, die mitgewirkt haben und sich für das kleine Blatt am digitalen Beetrand interessierten. —