Ein Buch von Byung-Chul Han taugt nie zum bildungsbürgerlichen Lieblingsding. Es will nicht durch schiere Masse überwältigen oder mit Satzschachteleien strunzen, die jedes Interesse zunächst mal auf das Ego des Autors umlenken (Schau, wie kompliziert ich schreiben kann! – Da muss ich wohl sehr gebildet sein.).
Die kleine Reihe kleiner Bücher, die er bei Matthes & Seitz veröffentlicht hat, ist – im Wortsinn – Hypertext: von hier aus kann weitergedacht werden.
„Digitale Rationalität und das Ende des kommunikativen Handelns“ kommt mit 44 Seiten aus und kommuniziert schon durch diese zierliche äußere Form auch mit mutmaßlichen Nicht-Lesern, die sich vorwiegend in einer Welt aus 140 Zeichen und „darstellbaren Farben“ bewegen. Und die zu wenig darüber reflektieren, wie die Dominanz digitalisierter Kommunikationsformen ihr Mensch-Sein verändern.
Mit wonnig zusamnmengegruselter Apokalypse oder einer vorab schon mal festgezurrten Erlöserbotschaft nach Digitalpropheten-Art langweilt Han uns aber zum Glück nicht.
Ihm ist erkennbar wichtig, dass seine Inhalte in einer medien- und datenüberfüllten Welt nicht nur verkauft, sondern gelesen werden – und jeder, der an dieser Welt teilhat, ist von ihm zum Mitdenken aufgefordert.
Digital, so konstatiert er hier richtig, lassen sich keine verlässlichen Gemeinschaften bilden – lediglich durch Parikularinteressen gehaltene Schwärme. Erlischt das Interesse, zerfällt auch der Schwarm wieder – es fehlt die soziale Konstanz, der unmittelbar menschliche Zusammenhalt. Dieses Phänomen folgt aus dem egoisierenden und narzissifizierenden Effekt, den digitale Netze auf einzelne Personen haben. Beides stellt das Gemeinschaftswesen Mensch vor zentrale Herausforderungen im Hinblick auf sein zukünftiges Gesellschaftsleben: die unzähligen Partikularinteressen sind nicht mehr unter den Dächern politischer Programme zu fassen. Es stellt sich also die Frage, ob eine repräsentative Demokratie denkbar wäre, die ohne Partei (und wohl auch ohne Diskurs) auskäme?
Mögliche Antworten müssen erst noch gefunden werden – dieses Büchlein stellt schon mal die richtigen Fragen.
Han, Byung-Chul: Digitale Rationalität und das Ende des kommunikativen Handelns. Berlin: Matthes & Seitz, 2013. 44.S.
ISBN 978-3-88221-066-8
€ 6,90