Frag den Mark

Mark Zuckerberg hat sich neulich Fragen gestellt. Wie man jedoch gleich wieder enttäuscht feststellen muss: leider heißt das nicht, dass er sich mutig dem Selbstzweifel aussetzt. – Andere durften ihn etwas fragen, was eine freundliche Geste ist.

Zufällig stellte ich auch ein paar Fragen, aber – weil ich das gelernt habe – an mich selbst. Es ging um Zuckerberg und seine öffentlichen Lieblingsthemen: „Kommunikation“ und „Verbessern“; ausgehend von einem Bericht über die erwähnte Facebook-Fragestunde mit einem Foto von ihm. Wenn ich sein Gesicht sehe, scanne ich es mit meinen altmodischen Augen. Meine Kernfrage:

  • Warum will er, was er will? (Seine Rede war von Unsterblichkeit und besserer, WEIL technisierterer Kommunikation. Daraus ergaben sich weitere Fragen:)
  • Was genau ist dieses „Besser“, von dem er redet?
  • Wie soll ein Wesen etwas kreieren, das besser ist als es selbst?
  • Wenn das geht: Warum hat Gott es nicht gemacht?

Das alles kann ich natürlich nicht vom Niederrhein aus beantworten, schon gar nicht die Frage nach der tatsächlichen Verfasstheit von Mark Zuckerberg. Ich glaube aber auch nicht, dass er es kann; sein ganzes Gebaren spricht dagegen. Wenn er es könnte, wäre dieser unsägliche, aufdringliche, weltumspannen-wollende Ehrgeiz, den er versprüht, weit weniger aufdringlich und expansiv. Er steht mit seiner Radikalität stellvertretend für eine ideologisch festgefahrene Art Mensch, die sich teilweise auch neckisch als „homo ludens digitalis“ bezeichnet – in völliger Verkennung dessen, was „Spiel“ in Wirklichkeit bedeutet. Fundamentalistische Digitalisten, die, wie jeder gute Gläubige, das Fundament ihres Glaubens nicht in Frage stellen können. Sie sind nicht in der Lage, aus ihrem System herauszutreten – nicht real und nicht in Gedanken. Und die kritische Distanz, die ihnen fehlt, wollen sie auch bei anderen weghaben (in genau der Haltung, die diesem Ausdruck innewohnt). Wer nicht nach diesem Maße teilen will, will wohl überhaupt nichts teilen! Will wohl nicht Teil der Community sein! Ist wohl ein Fortschrittsfeind und deshalb auch nichtmaßgeblich! Kann man, ja: MUSS man ignorieren! Selbstverständlich wird das alles in positive Botschaften verpackt: „Lerne mehr!“, „Finde heraus!“, „facebook ermöglicht es dir…“ und „gefällt mir“.

Jetzt fängt sogar schon Sigmar Gabriel an: „Wer im Internet nicht stattfindet, findet bald gar nicht mehr statt.“ (In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Nr.24 v.11.6.2015)

An meinem Kinn sprießt ein Haar. Nur dort und gar nicht im Internet. Das findet ganz eindeutig statt, ich musste erst gestern wieder zupfen. Früher hatte ich das nicht, es ist eine Veränderung. Ein Merkmal des Älterwerdens, Zeichen meiner Sterblichkeit. Davon legt es Zeugnis ab, dieses nervtötende Haar. Ich werde eines Tages tatsächlich nicht mehr stattfinden, weil ich in Wirklichkeit tot bin – egal, was das Internet sagt. Aber jetzt lebe ich, das kleine Haar sprießt unverdrossen. Ich murre und zupfe, mein Mann amüsiert sich und so nehmen wir Anteil, so lange wir da sind. Technologiebasierte Kommunikation ist dafür nicht nur völlig irrelevant – in ihren Sphären sind Erfahrungen wie diese gar nicht möglich. Am Fehlen solcher Haare lässt sich ablesen, worin das Phantasma des Digitalen besteht. Es ist das Credo „Besser als der Mensch“:

  • Es gibt keinen Tod
  • Es gibt keine Ohnmacht
  • Ich bin maßgeblich.

Mark Zuckerbergs Sehnsucht, geteilt von Millionen.