Daniel Briegleb „Lust an Liebe“

„Lust an Liebe“ als Brief wäre schön; oder „Liebe mit Lust, gemeinsame Sache“.

Daniel Briegleb beschreibt jedenfalls die Versuche, der anarchischen Gewalt des Sexus Herr zu werden vom antiken Griechenland bis heute, wobei dies Heute gesondert zu betrachten ist.
Weil heute der Sex allüberall, gerade ohne Eros oder gar Liebe, zur direkten Trieberfüllung wohlfeil ist. In Bildern, die onanistische Befriedigung des Triebes kurzfristig zu bedienen wissen.
Aber: Liebe und erfüllter Sexus brauchen Dauer. Weil das allzu bekannt ist, deutet Briegleb hier nur an, und er versäumt den Hinweis darauf, dass in diesem „Mangel an Mangel“, diesem Überfluss, Zensur am Werk ist: wie der „Bilderberg“, so wirkt die Freigabe des Sexus als Erfüllung der Gebote „Kein Bild!“ und „Nur Sex zur Vermehrung!“. Diese Zensur soll ablenken von konsumistischer Machtausübung, kapitaler Verwertung.

Ich gehe in Brieglebs Essay zurück von Heute nach Gestern:
Er beschreibt die romantische Liebe und damit die Auslöschung des Ich im Wir, was häufigst zu einem tödlichen Ende im Drama führt.
Doch ist unser aktuelles Liebesbild noch immer der Romantik verpflichtet.
Daniel Briegleb geht – meine Meinung – mit den christlichen Liebes- und Sexmodellen zu sanft um. (Das ist den „allwissenden“ postmodernen Autoren zu danken, die Härten nicht kannten.)
Christlich ist, mit Calvin Keuschheit („lange Röcke“!) zur vermögensbildenden Tugend zu erheben.
Die thomäische, katholische Sex- und Leibfeindlichkeit ist da von anderem Gewicht: Sex und Eros ist zeitlich – Katholiken wussten! – und so gegen die ewige Liebe Gottes. Der Schweinkram ist zeitlich, damit gottlos. Doch auch hier: es fehlt an Schärfe, Herr Briegleb!
Wenn Eros, dieser verschlafene Zufallsgenerator zur Liebe, der Geistigen, stößt, ist Unordnung! Und dann ist die Macht der Kirche durch Minne, Courtoise etc. auf’s Äußerste gefährdet.
Da ist die Leidenschaft eines Thomas zur geistigen Liebe nichts, als die Liebe zur Macht.

So geht es weiter zurück: Sex ist Störung, verstört. Den Griechen – dazwischen die Römer? – war der Sexus störend, Plato zumal. Doch ließ der Erfinder der „platonischen Liebe“ dem Bengel Eros immerhin noch einen Platz.
All das ist bei Briegleb nachzulesen. Das Anliegen seines Essays ist aber heute, jetzt, auf dieser Folie ein Modell zu zeigen, das dagegen steht: Liebe gangbar machen und lebbar.
Syntrias, das ist sein Wort für eine lebbare Liebe, die dem Anarchisten Sex einen Ort zuweist, wo er wirken darf und kann.
Wenn Ich und Ich, das ist so, zu Du und Ich kommen und das nicht im Wir enden muss, dann ist Syntrias die gegebene Alternative. Kann sein, dass Syntrias sich mit dem unaufmerksamen Eros verbündet und Liebe auch heute noch lebbar ist.
Nur: asiatischen Modellen wie z.B. Tantra die Rettung der Liebe andeutungsweise zuzuschreiben, dem ist heftig zu widersprechen! Tantra ist nur Eliten zugänglich gewesen und das Ziel waren keine liebenden Menschen, sondern rücksichtslose Krieger.

Briegleb, Daniel: Lust an Liebe – Ein Essay. Wien: Passagen, 2014. 104.S.
ISBN 978-3-7092-0108-4
€ 11,90

Nachtrag (07.07.2014): Das gestrichene Ende gehört nicht mehr und gehörte nicht zu meiner Rezension. Daniel Briegleb verwendet in seinem Text den Begriff „Tantra“ nicht, sondern weist nur kurz darauf hin, auch einen Blick auf den asiatischen Umgang mit Sexualität zu werfen. Die parallele Beschäftigung mit den übelsten Zielen tantrischer Praktiken führte bei mir zu dem Kurzschluss, dass der vorsichtige Hinweis Brieglebs auf asiatischen Umgang mit Sexualität auch mit Tantra zu tun haben könnte. Ich bitte um Nachsicht und entschuldige mich.